Was kann Ashwagandha?

von | Apr 30, 2024 | Artikel

Ashwagandha wird immer beliebter unter Sportler:innen. Und aus gutem Grund: Denn dem Produkt werden etliche positive Eigenschaften nachgesagt:

 

Claims zu angeblichen positiven Auswirkungen von Ashwagandha

 

 

Doch welche dieser Aussagen stimmen wirklich? Wir haben für euch die einzelnen Behauptungen mal genauer unter die Lupe genommen.

 

Was sind die Eigenschaften von Ashwagandha?

Bevor wir uns die tatsächlichen Effekte von Ashwagandha genauer angucken, ist es sinnvoll vorab die biochemischen Eigenschaften zu erörtern. In anderen Worten: Was genau soll Ashwagandha denn überhaupt so besonders machen?

Anti-oxidativ

Experimentelle Studien haben ergeben, dass Ashwagandha ein Abbauprodukt des anti-oxidativen Stoffes Glutathion enthält: CR-777. Dieser hat neuroprotektive Eigenschaften gegen Stressfaktoren aufgewiesen (1). Auch in RCT Studien mit Menschen konnten die anti-oxidative Wirkunge – gemessen an der Glutathion-Konzentration – nachgewiesen werden (2).

Anti-entzündlich

Ashwagandha wirkt über mehrere Signalwege anti-entzündlich: Zum einen werden weniger entzündliche Zytokine, wie IL-1, IL-6 und TNF, ausgeschüttet (3). Zum anderen scheint sich das Pflanzenextrakt positiv auf bestimmte Immunproteine auszuwirken (Killerzellen Aktivität, Prä-Albumin alpha2 glycoprotein), was sich wiederum positiv auf entzündliche Erkrankungen auswirken kann (4, 5, 6).

Stress lindernd

Ashwagandha soll zu einer Gruppe von Pflanzenextrakten mit adaptogenen Eigenschaften zählen. Damit ist gemeint, dass sie eine Stress lindernde Wirkung aufweisen. Anders ausgedrückt: Bei der Aussetzung von demselben Stressfaktor, soll die physiologische Reaktion zur Bewältigung des Stresses geringer ausfallen.

 

 

 

Diese These wird zum einen durch eine erhöhte GABA-Aktivität nach der Einnahme von Ashwagandha bestätigt (7). GABA ist einer der wichtigsten Neurotransmitter zur „Beruhigung“ des zentralen Nervensystems. Darüber hinaus wurde in zwei Studien nach der Einnahme eine verringerte Ausschüttung vom Stresshormon Cortisol beobachtet: Die Cortisolkonzentration fiel nach der Einnahme von Ashwagandha jeweils ~ 25% geringer aus (8, 9).

 

Schmerz lindernd

Ein schmerzlindernder Effekt wurde unter anderem im Zusammenhang mit chronischer Arthritis untersucht (Knorpelschäden): Hier konnte nach 12-wöchiger Einnahme von 250mg Ashwagandha nicht nur ein signifikant positiver Effekt auf die Schmerzwahrnehmung festgestellt werden, sondern auch eine Abnahme der Schwellung im Kniegelenk (10).

 

Veränderung der subjektiven Schmerzwahrnehmung nach 2 Wochen Einnahme von Ashwagandha (x)

 

 

Spannend in dem Zusammenhang ist außerdem eine Untersuchung an Ratten, die unter starken Nervenschmerzen litten und einer OP unterzogen wurde. Hier hat die Einnahme von Ashwagandha-Konzentrat zu einer deutlichen Verbesserung des durch den Schmerz eingeschränkten motorischen Bewegungsapparat geführt. Auch die durch die Schmerzen hervorgerufene „Schreie/Piepsen“ haben merklich abgenommen (10).

Bei den Ratten wurde drei verschiedene Dosierungen getestet: 30 mg/kg vs. 100 mg/kg vs. 300 mg/kg. Bei den höheren Dosierungen konnte ein stärkerer Anstieg von anti-entzündlichen Zytokinen gemessen werden. Bei der mechanischen Kompensierung von dem Schmerz gab es aber keine Unterschiede zwischen den einzelnen Dosierungen. Die niedrigste Dosierung von 30mg/kg scheint demnach auszureichen, um einen schmerzlindernden Effekt herbeizuführen. Inwieweit sich diese Dosierungsmenge auf den Menschen übertragen lässt, ist aktuell unklar. Denn: Wenn man die angewandte Dosierung aus der Rattenstudie auf das Gewicht eines 80kg schweren Menschen umrechnen würde (30mg x 80kg), dann würde man auf die sehr hohe Dosis von 2400mg/Tag kommen. Zum Vergleich: In den meisten Studien mit Menschen werden 300-600mg pro Tag verabreicht.

Eine weitere spannende Erkenntnis der oben genannten Studie ist, dass ein positiver Effekt von Ashwagandha auf den Schmerzrezeptor CCR2 festgestellt werden konnte und somit auch einen möglichen Grund der beobachteten schmerzlindernden Eigenschaften feststellen konnte.

 

 

Krebs

Es gibt einige mechanistische Studien, die potenziell positive Auswirkungen von Ashwagandha auf Krebs feststellen konnten. Allerdings fehlen hochwertige Studien an Menschen, weshalb die nachfolgenden Infos mit großer Vorsicht zu bewerten sind.

In Zellkulturen konnte eine verbesserte Aktivität von relevanten Immunzellen festgestellt werden und gleichzeitig Entzündungsparameter verbessert werden, die durch Krebszellen idR. negativ beeinflusst werden (11).

 

In isolierten Brustkrebszellen konnte bei Aussetzung von aus Ashwagandha extrahierten Proteinen eine verringerte Absterberate von Zellen in den Mitochondrien festgestellt werden (12).

 

Demenz

Schon Ende der 90-iger Jahre wurden potenziell neuroprotektive Eigenschaften von Ashwagandha beobachtet. So konnte unter anderem an isolierten Zellkulturen beobachtetet werden, dass Ashwagandha die Lipid Peroxidation (LPO) verbessert; hier geht es etwas vereinfacht ausgedrückt um Entzündungsprozesse an Neuronen. Außerdem konnten erhöhte Konzentrationen der anti-oxidativen Enzyme CAT und GPx im Gehirn von Ratten gemessen werden (13). Auch konnte eine verbesserte Regeneration von beschädigten Synapsen festgestellt werden (14).

Durch Medikamentenbeigabe hervorgerufene kognitive Beeinträchtigungen in Ratten, wurden durch die Einnahme von Ashwagandha abgeschwächt (15). Außerdem konnte in Mäusen die Bildung von β-Amyloid Peptide rückgängig gemachen (16). Hierbei handelt es sich um eine Proteinstruktur, die als Vorstufe von einem Glykoprotein in die Zellmembran des Gehirns eindringen kann und dort die Plaquebildung – und somit Alzheimer – begünstigen kann (17).

Die künstlich hervorgerrufene Anhebung von Neurotoxinen, die mit Parkinson in Verbindungen stehen, konnten durch die Einnahme von Ashwagandha in Ratten verbessert werden. Auch die motorischen Fähigkeiten zeigten nach Einnahme von einem Ashwagandha-Konzentrat Besserung (18).

 

 

Schlaf

Die Auswirkungen von Ashwagandha auf die Schlafqualität sind tatsächlich mittlerweile relativ gut erforscht. In einigen Studien wurde die Schlafqualität mit einer subjektiven Skala erfasst, in anderen Studien via Aktigrafie (Messgerät am Handgelenk) bewertet. Beide Methoden haben im Vergleich zum Goldstandard – Polysomnografie – eine gute Validität (19, 20).

In einer Meta-Analyse mit 400 Probanden wurde in allen relevanten Studien ein positiver Effekt auf die Verbesserung der Schlafqualität gemessen (21).

 

Beispiel der verbesserten Schlafqualität nach Ashwagandha-Einnahme – gemessen mit Aktigrafie (19)

 

 

Die positiven Effekte auf die Schlafqualität sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Einflussnahme des Neurotransmitters GABA zurückzuführen. Dieser hat einen hemmenden Effekt auf das zentrale Nervensystem und wird mit einer verbesserten Schlafqualität in Verbindung gebracht (22).

 

Hierzu gibt es eine interessante Tierstudie, in der Mäuse durch Koffein-Einnahme zunächst „künstlich“ in einen Wachzustand gebracht wurden, um dann zu gucken, in wie weit sich die Einnahme von Ashwagandha positiv auf den Schlaf auswirkt.

 

In dieser Studie konnten Forscher eine erhöhte GABA-Aktivität nach Ashwagandha-Einnahme feststellen, was auf eine „beruhigende“ Wirkung auf das zentrale Nervensystem schließen lässt. Zusätzlich scheint sich Ashwagandha auch positiv auf Serotonin-Rezeptoren auszuwirken, was auch mit einem besseren Schlaf in Verbindung gebracht wird. Dies hat sich positiv auf den Tiefschlaf und die Schlaflänge ausgewirkt (23).

Wichtiger ist aber folgende Erkenntnis durch eine Studie mit Menschen: Ashwagandha wirkt sich sowohl bei gesunden Menschen, als auch solchen, die unter chronischen Schlafproblemen leiden, positiv auf die Schlafqualität aus (24).

 

Stressreduktion

In vielen Studien wurde untersucht, inwieweit sich die Einnahme von Ashwagandha positiv auf das Wohlbefinden bei Menschen mit hohem chronischen Stresslevel und Angstzuständen auswirkt. In der großen Mehrzahl der Studien konnte ein positiver Effekt auf Stresslevel und Angstzuständen festgestellt werden (25, 26, 27). Wobei hier auch eine Wechselwirkung von den positiven Effekten auf die Schlafqualität und der dadurch resultierenden Stressreduktion möglich ist (28).

 

Reduzierte Stresswahrnehmung, gemessen via PSS (23)

 

 

Performance-Effekte

 

Ausdauer

In Mäusen wurde nach Ashwagandha-Einnahme eine erhöhte Konzentration der roten Blutkörperchen nachgewiesen (29). Zumindest in der Theorie, kann dies zu einem verbesserten Sauerstofftransport und entsprechend Ausdauerleistung führen. Zwar gibt es auch ein paar Studien an gesunden Menschen, die potenzielle Effekte auf die Ausdauerleistung untersucht haben. Leider weisen diese nahe zu allesamt methodische Mängel auf und sind von niedriger Qualität.

So konnten zum Beispiel Tiwari und Kollegen (2021) eine verbesserte Ausdauerkapazität feststellen – gemessen durch Veränderungen vom VO2max-Wert (30). Auch Choudhary et al. (2015) konnte nach 8 Wochen Ashwagandha-Supplementierung eine verbesserte Ausdauerkapazität feststellen (31). Allerdings wurde der VO2max-Wert in der Studie nicht bei einem standardmäßigem Test mit steigender Intensität auf einem Ergometer durchgeführt, sondern bei einem 20m shuttle-run. Auch hier ist entsprechend fragwürdig, wie aussagekräftig die Ergebnisse sind.

Es gibt auch eine Studie an gut trainierten Radfahrern, in der nach 8 Wochen Ashwagandha-Einnahme (500mg/Tag) ein positiver Effekt auf den VO2max-Wert und „time-to-exhaustion“ auf einem Ergometer festgestellt wurde (32). Allerdings fehlen in der Studie viele wichtige Angaben zum Training, dem Performance-Test und der Ernährung, was eine umfangreiche Bewertung der Studie schwierig macht.

In einer hochwertigeren Studie konnte hingegen kein Effekt von 500mg Ashwagandha pro Tag auf ein 7,5km time-trial Performance auf einem Rad-Ergometer festgestellt werden (33).

 

 

 

 

Kraft

Unseres Wissens nach gibt es nur 2 Studien, die mögliche Effekte auf die Kraftleistung untersucht haben:

In einer der besseren Studien in diesem Bereich, wurde nach 12 Wochen täglicher Ashwagandha-Einnahme (500mg) ein leicht positiver Effekt auf die 1-RM Kraftleistung beim Bankdrücken und der Kniebeuge beobachtet (34).

 

Veränderung der 1-RM Kniebeuge nach 12 Wochen Ashwagandha-Einnahme (34)

 

Die zweite Studie ist ähnlich vom Aufbau, und auch hier konnte ein leicht positiver Effekt auf die 1-RM Kraftleistung beim Bankdrücken festgestellt werden (35). Außerdem wurde ein leichter Anstieg der Testosteronwerte beobachtet und Verbersserung beim Muskelaufbau in den Armen. Beim Brustumfang und dem Beinumfang wurde hingegen keine Veränderung beobachtet.

Im Vergleich zu den Studien im Ausdauerbereich sind die Interventionsstudien im Kraftbereich von deutlich höherer Qualität. Allerdings sollte man im Hinterkopf behalten, dass es sich bei den Probanden um keine fortgeschrittenen Athleten handelt und es entsprechend offen ist, wie sich Ashwagandha bei besser trainierten Sportlern auswirkt.

 

Regeneration

Eine verbesserte Regeneration zählt zu den am häufigsten genannten Vorteilen für Sportler:innen. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass die zuvor erwähnten Vorteile bei der Schlafqualität und der Senkung des Stresshormons Cortisol sich auch positiv auf die Regeneration des zentralen Nervensystems bei Athleten:innen auswirken. Wissen tun wir das ohne entsprechende Untersuchungen aber nicht. Darüber hinaus gibt es erschreckend wenige Studien, die sich mit potenziellen Auswirkungen auf die Regeneration auseinandersetzen.

In Kombination mit Krafttraining hat die Einnahme von Ashwagandha zu leicht verbesserten CK-Werten geführt, welches teilweise als Biomarker für Muskelschäden genutzt wird (36). Ob durch die Einnahme der Muskelkater wirklich auch reduziert wurde, ist allerdings unklar.

In einer Studie mit gesunden jungen Männern konnte eine Verbesserung der subjektiven Regeneration im Zusammenhang mit Ausdauersport festgestellt werden. Außerdem konnte eine Verbesserung bei Markern für oxidativen Stress festgestellt werden (37). Klingt erstmal sehr viel versprechend, aber leider fehlen hier wichtige Informationen zum Training und zur Ernährung, um die Intervention wirklich detailliert bewerten zu können.

 

Nebenwirkungen

Neben dem ganzen Hype über die potenziellen Vorteile von Ashwagandha, sollte man sich auch immer über gesundheitliche Risiken informieren.

So gehören Übelkeit, Bauchschmerzen oder Durchfall zu den dokumentierten Nebenwirkungen (38). Diese treten bei der üblichen Dosierungen von 300-600mg aber eher selten auf und sind nicht all zu stark (39).

Allerdings gibt es auch vereinzelte Dokumentationen von Leberversagen (40, 41). Wenn Ashwagandha wirklich das Risiko von Leberversagen erhöhen würde, wäre das natürlich ein sehr hohes gesundheitliches Risiko. Leider wird in den genannten Berichten die genaue Dosierung von Ashwagandha nicht erwähnt und die Patienten nehmen teilweise auch andere Nahrungsergänzungsmittel ein, wodurch eine genau Risiko-Bewertung schwierig ist. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Leberprobleme durch andere Faktoren hervorgerufen worden und die Patienten eher zufällig auch Ashwagandha eingenomen haben. Kontrollierte Placebo-Studien konnten zumindest bisher keine negativen Auswirkungen auf die Organgesundheit feststellen (42).

Damit wollen wir die Risiken nicht herunterspielen. Eine Überwachung der Leberwerte ist auf jeden Fall empfehlenswert und bei bereits bekannten Leberproblemen ist von der Einnahme definitiv abzuraten. Weil das Risiko von potenziellen Nebenwirkungen aktuell nicht ganz klar ist, wird von einer Einnahme während der Schwangerschaft und für stillende Mütter abgeraten (43).

 

Fazit und Bewertung

 

  • Ashwagandha weist tatsächlich einige gesundheitsförderne Eigenschaften auf: Dabei gilt es vor allem die Stress lindernde Wirkung und positiven Einfluss auf die Schlafqualiät hervorzuheben.
  • Möglicherweise wirkt es sich auch positiv auf Demenz aus, wobei hier hochwertige Studien an Menschen fehlen, die die bisherigen Beobachtungen an Mäusen bestätigen.
  • Es gibt einige Anhaltspunkte, dass sich Ashwagandha positiv auf die Ausdauerleistung auswirken könnte, aber es bedarf mehr hochwertige Studien, um diesen Effekt abschließend bewerten zu können.
  • Dasselbe lässt sich auch auf mögliche Benefits im Kraftsport sagen: Zwei Studien reichen einfach nicht aus, um den Effekt gut einschätzen zu können.
  • Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass Sportler:innen von der Stress senkenden Wirkung profitieren würden, aber ein direkter Zusammenhang wurde bisher nicht untersucht.
  • Aswagandha steht im Verdacht sich negativ auf die Lebergesundheit auszuwirken. Die Annahme beruht allerdings auf dokumentierten Einzelfällen. Größer angelegte Studien, die die Sicherheit von Ashwagandha untersucht haben, existieren aktuell leider nicht.